Romantik trifft auf klare Ansage, Vorurteile auf Tatsachen
„Manchmal möchte ich einfach meine Ohren zuhalten, meine Augen schließen und mir wünschen, unsere Gesellschaft sei nicht so kaputt wie in diesem Text geschrieben.“
Mit diesen Worten beendete Sara ihren bisher stärksten Beitrag beim Poetry Slam der KGS am 11. März in unserem Theaterraum. Die Zehntklässlerin, die schon seit Jahren aktiv am Wettbewerb teilnimmt und bisher eher für witzige Texte bekannt war, machte mit ihrem fulminanten Auftritt so manchen Zuschauer sprachlos und heimste zugleich einen ohrenbetäubenden Applaus ein. Das gelang ihr mit einer besonders provokanten, beißenden Verurteilung von so ziemlich allem, was gesellschaftlichen Druck auf Mädchen erzeugt. Das Ergebnis ist eine unmissverständliche Absage an Sexismus und zwanghafte Erwartungen an Äußerlichkeiten, denen sich jede zu beugen hat, die der Norm entsprechen will.
Dass es dieser im Gedächtnis bleibende Auftritt nicht auf’s Podium schaffte, zeigt die absolute Spitzenklasse, die es beim mittlerweile 8. Poetry Slam an unserer Schule zu bewundern gab. Eine Teilnehmerin mit ähnlichem Thema landete aber doch auf Platz eins. Mit ihrer knallharten Ansage an alle Typen, die Mädchen nicht so behandeln, wie sie es verdient haben – nämlich auf Händen getragen zu werden -, begeisterte Mona aus der 9G1 das Publikum und auch die Jury. Sogar dem traditionell strengen Juror Herrn Schuschel blieb nichts anderes übrig als die Bestnote 10 zu zücken, von der manche nach den letzten Jahren schon glaubten, sie existiere nicht auf seinem Stapel 😉.
Kritische Töne prägten seit jeher den Wettbewerb und auch diesmal war es schade, dass nicht mehr von den „großen Leuten“ anwesend waren, an die nicht wenige Kritikpunkte gerichtet wurden. So manch einer würde es vielleicht einmal schaffen, seine starre Erwachsenenperspektive zu verlassen, hätte er das starke Plädoyer von Elias (12G1) gegen die Stigmatisierung seiner Generation als faul und verweichlicht gehört, ein Urteil, dass sich von einem vorgeblich allwissenden Sockel natürlich leicht fällen lässt und nach Kollateralschäden gar nicht erst fragt.
Tiefsinnige Töne trafen auch drei Neuntklässlerinnen, alle mit sehr poetischen Texten: Hivi mit „Vorurteile meines Elends“, Elin mit ihren Gedanken über Zeit und Vergänglichkeit und Sema mit ihren „Gedanken bei Nacht“, die mit ihrer perfekten Performance dafür sorgte, dass unserem Moderator Amro (9G1) die Worte fehlten.
Zwei weniger bedeutungsschwere Beiträge, die trotzdem fast für Standing Ovations sowie für ein lautes Klatsch- und Pfeifkonzert sorgten, überraschten das Publikum besonders. Zunächst rapte Denis eine wortgewaltige Hommage an die galaktische und unvergessliche 9G1, dann brachte Yamen mit seinem Rap für die Eins in Deutsch die Lachmuskeln auf Touren und erreichte mit seinem witzigen Text sogar den zweiten Platz. Den musste er sich allerdings mit Amro teilen, der zusammen mit Jasmin (9G3) nicht nur hervorragend durch das Programm führte, sondern die Jury auch mit seiner eigenen Geschichte, einer romantischen Liebeserklärung und einem Feuerwerk an sprachlichen Mitteln überzeugen konnte – zum Glück hatte er es eine Minute vor Beginn seiner Anmoderation doch noch geschafft, den Theaterraum zu finden…Nicht weniger gefühlvoll mutete Paulas (9G3) poetische Liebeserklärung „Ohne mich“ an, die ebenfalls mit kräftigem Beifall honoriert wurde.
Aber ein Poetry Slam wäre nicht ein Poetry Slam, wenn es nicht Teilnehmende gäbe, die sich dem widmen, was uns letztendlich alle zusammenführt, der Schule. Auf äußerst amüsante Weise gelang das Sydrah, in diesem Jahr die einzige Starterin bei den Jungen Hüpfern, mit dem zu Lachtränen reizenden Vortrag über den Alltag der 6G2. Um einiges ernster klang da Marcus‘ Wahrnehmung des Schullebens. Der Zwölftklässler beschrieb das zwanghafte Streben nach Perfektion, den inneren Druck und das Punktesystem als „Droge, die einen von innen zerreißt.“ Ebenfalls reflektiert und kritisch, aber auch mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern, widmete Fabian dem alltäglichen Schulwahnsinn seinen „Cirque scolaire“, der das Publikum zu mehreren Lachsalven animierte. Im Gedächtnis bleiben da vor allem die „Artefakte aus preußischer Zeit“ – Na, wer oder was damit wohl gemeint war? Dieser krönende Abschluss erreichte ebenfalls die absolute Bestmarke von 60 Punkten und entschied somit, zusammen mit Mona, den Wettbewerb für sich. Damit schloss sich der Kreis für den Zwölftklässler, der schon bei einem der ersten Wettbewerbe, damals noch einen gefühlten Meter kleiner, erfolgreich teilgenommen hatte.
Eigentlich waren es nicht mehr TeilnehmerInnen als sonst, trotzdem zog sich der Wettbewerb diesmal zeitlich ziemlich in die Länge. Vielleicht lag das an der Wohnzimmeratmosphäre, die vor allem mit der mittlerweile alteingesessenen Erwachsenenjury aus Frau Alsen-Henk, Herrn Schuschel und Sascha sowie den DauerteilnehmerInnen der jetzigen neunten Klassen Einzug gehalten hat. Neben Dauersticheleien mit der Jury, die entweder zu hart oder zu lieb bewertete, sorgten Jasmins lockeren Sprüche für maximale Unterhaltung. Fazit: Der Poetry Slam ist immer wieder eine wunderbare Gelegenheit, einen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt unserer Schülerinnen und Schüler zu bekommen, ihre Fähigkeiten zu bestaunen und zusammen eine gute Zeit zu haben. Vielen Dank an alle Beteiligten!
Wertung „Alte Hasen“ (Klasse 9-12): Wertung „Junge Hüpfer“ (5-8):
- Mona Bsirini (9G1), Fabian Sobiak (12G2) 1. Sydrah Najep (6G2)
- Amro Sad Aldin (9G1), Yamen Saado (9G3)
- Hivi Alkerro (9G3)
Publikumspreis: Schülerjury: Lehrerjury:
- Mona Yara (9G1) Frau Alsen-Henk
- Fabian Aaliyah (9G1) Herr Schuschel
- Hivi Marino (9G3) Sascha