Worte finden für etwas, das Unvorstellbar ist. Aus Nummern Menschen werden lassen. Nie wieder!

Von der KGS Wilhelm von Humboldt in Halle nach Auschwitz sind es 623 km, vom 27.01.1945 (Tag der Befreiung von Auschwitz) bis zum 20.08.2024 (Tag unseres Besuches im Stammlager) sind es 79 Jahre und fast 7 Monate. Ein weiter Weg und ein langer Zeitraum für die 16 bis 19-jährigen.

30 Schülerinnen und Schüler von der 10.-12. Klasse begeben sich mit einer Lehrerin und einem Lehrer sowie zwei Betreuern von Arbeit und Leben auf die 5-tägige Gedenkstättenfahrt. Der erste Tag führt zum Kloster Harmeze, welches im Keller eine beeindruckende Ausstellung von Marian Kolodziej zeigt, der Auschwitz, Buchenwald und Mauthausen überlebte. Fast 50 Jahre später begann er die Erlebnisse in Bilder zu fassen. Diese zeigen eingefallene Gesichter mit übergroßer Stirn und riesigen Augen, die die Betrachtenden eindringlich ansehen. Ihre Anzahl gekoppelt mit Zahlenreihen der Toten formen den Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Dienstagmorgen beginnt die Führung durch das Stammlager Auschwitz. Ein Betonweg, der eingefasst ist von zwei Betonmauern und auf dem die Namen der Opfer vorgelesen werden, führt auf das KZ-Gelände. Das B über dem „Arbeit macht frei“-Eingangstor steht auf dem Kopf und kündet vom Widerstand.

Die Ausstellungsbaracken zeigen tausende Koffer, deren Eigentümer nicht mehr leben, zeigen zwei Tonnen Haare von 40000 Häftlingen, zeigen Bilder von ausgemergelten Kindern, Männern und Frauen, zeigen zehntausende Schuhe, die die Häftlinge abgeben mussten. Vielen Opfergruppen ist eine eigene Ausstellung gewidmet. Eindrucksvoll und einschüchternd zugleich ist das „Book of Names“, im Block 27, welches 4,3 Millionen Namen jüdischer Opfer enthält. Die Seiten sind 1m groß und das Buch ist 8m dick (siehe Bild).

Das Ausmaß des Lagerkomplexes und die Vernichtung von 1.500.000 Menschen wird am nächsten Tag sichtbar. Wir werden drei Stunden durch Auschwitz-Birkenau geführt, vorbei an der Rampe und an Nachbildungen von Holzbaracken. Am Mahnmal treffen wir eine 13. Klasse aus der Nähe von Oldenburg, die hier in der Gedenkstätte arbeitet. Die gesprengten Gaskammern zeigen den Wahnsinn und den Menschenhass der Nationalsozialisten.

Der letzte Tag steht im Zeichen von Krakau, einer pulsierenden jungen Hochschulstadt mit italienischem Flair, viel Kultur, tollen Gassen und wunderschönen Marktplätzen, auf denen sich das Leben der Krakauer und Touristen abspielt. Auf Empfehlung unseres Guides probieren wir Obwarzanki, ein ringförmig gedrehtes Hefegebäck, bevor wir uns auf den Spaziergang zum jüdischen Viertel begeben. Von ehemals 65.000 Juden der Gemeinde überlebten den Holocaust nur wenige. Zuverlässige Zahlen für heute fehlen aber die Gemeinde verzeichnete in jüngster Vergangenheit Zuwachs.

Das Zeitzeugengespräch mit Frau Lidia Maksymowicz am Nachmittag bildet den beeindruckenden und nachdenklichen Abschluss unserer Tour. Sie erinnert sich an die Rampe, an die Angst vor Dr. Mengele, an den täglichen Hunger, die beengten Verhältnisse auf den Pritschen, den Verlust der Mutter. Sie zeigt ihre eintätowierte Nummer auf dem linken Unterarm. Stille. Ihre versöhnlichen Worte am Ende und ihre beeindruckende Geschichte machen Hoffnung, dass das Gute siegt, die Erinnerung aber wachgehalten werden muss.

An den Abenden laden die zwei Teamer von Arbeit und Leben zum Gedankenaustausch und Reflexion ein, um den Tag ausklingen zu lassen sowie Gefühle und Erfahrungen einzufangen und in Worte zu fassen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bedanken sich bei der Organisation Arbeit und Leben, bei der Landeszentrale für politische Bildung, bei den Betreuern und den Lehrkräften der KGS W. v. Humboldt für die Organisation und Durchführung der Gedenkstättenfahrt.



Autor: T. Stade

Bilder: T. Stade

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